Wildunfall – Schadenersatz möglich?
Knapp 75.476 Wildtiere kamen 2022 in Folge einer Kollision mit einem Fahrzeug in Österreich zu Schaden. Rein rechnerisch kann man darauf schließen, dass pro Stunde auf österreichischen Straßen 8,6 Wildunfälle erfolgen. Führt man sich nun diese Zahl vor Augen, so kommt man zum bedenklichen Ergebnis, dass alle 7 Minuten ein Wildtier mit einem Fahrzeug kollidiert. Doch liegt das Verschulden immer beim Wildtier.
Häufig achten Fahrzeuglenker nicht auf die Hinweisschilder bzw. beachten die Gefahren nicht, die sich vor allem bei einsetzender Dämmerung ergeben. Schadenersatz bei Wildunfällen: Als innerhalb eines Jahres auf einer einzigen Straße fast 100 Rehe und Hirsche bei Wildunfällen ihr Leben lassen mussten, klagten zwei Anwälte in 25 Fällen für die zuständige Jägerschaft unter dem Leitspruch „Zurück in die Fahrschule!“ die Haftpflichtversicherung der Kollisionslenker.
Im Jahr 2021 gab das Landesgericht Klagenfurt den beiden Anwälten in einem Fall Recht und verpflichtete die Haftpflichtversicherung zur Leistung eines Schadenersatzanspruchs für das zu Tode gekommene Wildtier. Diese Entscheidung mit dem Titel: „Wer in Zukunft auf der Straße mit Hirsch, Reh oder anderen Wildtieren kollidiert, hat nicht nur den verursachten Schaden am KFZ, sondern soll auch für das getötete Wildtier bezahlten!“ – wurde von vielen Jägern geteilt und sorgte für Euphorie in der Jägerschaft. Zahlreiche Jäger werden sich im Zusammenhang mit dieser Entscheidung aktuell die Frage stellen: Besteht bei einem getöteten Wildtier im Straßenverkehr ein Schadenersatzanspruch? Die Antwort ist JA, wenn sie dem Kollisionslenker ein Verschulden nachweisen können. Denn in der Vergangenheit mussten schon öfters bei Geschwindigkeitsüberschreitungen im Gefahrenbereich „Wildwechsel“ die Haftpflichtversicherungen des Kollisionslenkers Schadenersatz leisten. Ebenso gibt es Entscheidungen die besagen, dass durch Treibjagden ausgelöste KFZ-Wild-Kollisionen den Jagdleiter verantwortlich machen, wenn dieser keine tauglichen Warnzeichen aufgestellt hat.
In der gegenständlichen Entscheidung hat man dem Kollisionslenker ein Verschulden mit einem Sachverständigen nachgewiesen, indem der Lenker zu schnell unterwegs war und dabei zusätzlich von der Sonne geblendet wurde. Laut Sachverständigengutachten hätte der Kollisionslenker gar nur 73 km/h fahren dürfen, denn bei reduzierter Geschwindigkeit hätte sich eine Kollision verhindern lassen.
Nun stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen überhaupt vorliegen müssen, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen? Das Schadenersatzrecht ist im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) geregelt. Als Schaden gilt ein Nachteil, der dem Eigentum, den Rechten oder einer Person direkt zugefügt wird. Ein Schaden kann deshalb entweder ein Personenschaden oder ein Vermögensschaden sein. Dabei ist ein Schädiger zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er den Schaden nicht nur verursacht hat, sondern auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.
Nachfolgendes Beispiel soll Ihnen einen Schadenersatzanspruch veranschaulichen:
Peter ist ein leidenschaftlicher Autoliebhaber und ist öfters schneller mit seinem Fahrzeug unterwegs. Eines Abends ist Peter wieder viel zu schnell unterwegs. Die Hinweisschilder „Achtung Wildwechsel“ nimmt er nicht ernst. Als Peter gerade die 120 km/h Grenze erreicht, springt plötzlich ein Rehbock auf die Straße. Der Rehbock hat leider keine Chance und kollidierte mit dem Fahrzeug. Diesen Wildunfall hat zufällig der Jagdpächter Karl beobachtet, der auf diesen „kapitalen“ Rehbock ansaß. Karl ist außer sich vor Wut und möchte diesen Rehbock ersetzt bekommen (Schadenersatz). Welche rechtlichen Schritte, muss Karl einleiten um einen Schadenersatzanspruch gegen Peter geltend zu machen? Dem Jagdausübungsberechtigen (Karl) steht das Recht zur Verfügung, einen Wildunfall bei Gericht anhängig zu machen. In den verschiedenen landesgesetzlichen Bestimmungen im Jagdrecht findet sich zu Beginn die Bestimmung, die aus dem Grundeigentum erfließende, den jagdbaren Tieren nachzustellen, sie zu fangen und zu erlegen, sich erlegtes Wild, Fallwild, Abwurfstangen und die Eier des jagdbaren Federwildes anzueignen. Wild ist vor dessen Erlegung herrenlos und kann nur nach den Bestimmungen der jeweiligen Landesgesetze angeeignet werden. Die Verletzung von Wild bei einem Verkehrsunfall berührt damit die Rechte des Jagdausübungsberechtigten. Tiere sind nach dem Gesetz zwar keine Sachen; die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf sie aber grundsätzlich anzuwenden (§ 285a ABGB). Wird daher ein jagdbares Tier iSd Jagdgesetzes bei einem Verkehrsunfall verletzt, besteht nach § 4 Abs 5 StVO Meldepflicht.
Danach haben die Personen, die mit einem Verkehrsunfall in einem ursächlichen Zusammenhang stehen (§ 4 Abs 1 StVO) ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschäden entstanden ist. Ein Wildunfall ist somit ein Verkehrsunfall mit einem Sachschaden (Wildtier). Peter muss somit unverzüglich die nächste Polizeistelle und den Jagdausübungsberechtigten verständigen. Für den Fall, dass die Maßnahme von Peter nicht getroffen wird, liegt Fahrerflucht vor (entsprechend § 99 Abs 2 a oder Abs. 3 b iVm § 4 StVO). Nur für den Fall, dass alle beteiligten Personen ihre Namen und Anschrift gegenseitig ausgetauscht haben, darf eine unverzügliche Verständigung der Polizei unterbleiben. Die Praxis zeigt der Jägerschaft erfahrungsgemäß oft, dass Kollisionslenker einfach die Unfallstelle verlassen, ohne eine Verständigung abzugeben. Aller Voraussicht und Wahrscheinlichkeit nach liegt das an der Tatsache, dass nur Fahrzeugbesitzer, die im Besitz einer Vollkaskoversicherung sind, einer Verständigung nachkommen, da sie sonst den entstandenen Schaden selbst tragen müssen. Um nach dem allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, benötigt man einen Schaden, Kausalität, Rechtswidrigkeit und ein Verschulden. Diese vier Voraussetzungen müssen gemeinsam (kumulativ) vorliegen, um einen Schadenersatzanspruch wirksam vor Gericht begründen zu können. Im gegenständlichen Fall hat Karl einen Schaden erlitten. Der zu Tode gekommene Rehbock ist ein Sachschaden.
Um den Wert des Rehbockes zu bewerten, greift man in der Praxis auf wildökologische Tabellen.
Ein Rehbock kann somit mit einem Wert von bis zu € 2.644,00 bemessen werden. Weiters wird eine Kausalität (Kausalzusammenhang) benötigt. Schon die alten Römer kannten diesen Kausalzusammenhang, sie sagten: „conditio sine qua non“ dazu. Das bedeutet: „Wäre der Schaden ohne das Verhalten der Schädigerin ausgeblieben“. Juristisch formuliert bedeutet das: Wenn man sich Peters Verhalten wegdenkt, wäre dann der Rehbock ums Leben gekommen? Die Antwort wird „nein“ lauten. Somit war das Verhalten von Peter kausal für den entstandenen Schaden (der zu Toden gekommene Rehbock). Peter handelt rechtswidrig, wenn er gegen ein Gebot oder Verbot der Rechtsordnung verstößt, also anders handeln hätte sollen. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich im vorliegenden Fall durch den Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (Schutzgesetz). Die StVO verbietet Straßenverkehrsteilnehmer auf einer Landesstraße über 100km/h zu fahren, weil die erhöhte Geschwindigkeit eine erhebliche Gefahrenerhöhung im Straßenverkehr bewirkt. Die Bestimmungen (StVO) sollen die Gefährdung anderer Straßenverkehrsteilnehmer (Leib, Leben, Eigentum) hintanhalten. Weiters wurde Peter durch das Hinweisschild „Achtung Wildwechsel“ vor der Gefahr gewarnt, dass an diesem Streckenabschnitt damit zu rechnen ist, dass Wild die Straße überquert. Die Gefahr des Wildunfalls hat sich gerade dadurch verwirklich, die durch die Straßenverkehrsordnung vermieden werden soll, somit ist die Rechtswidrigkeit zu bejahen. Ein Verschulden kann man auch annehmen, da einer sorgfältigen und ordentlichen Person ein solches Verhalten nicht unterlaufen wäre. Eine sorgfältige Person hätte die Hinweisschilder „Achtung Wildwechsel“ wahrgenommen und hätte sich an die Geschwindigkeitsbeschränkung gehalten. Somit hat sich Peter (grob) fahrlässig verhalten. Wir kommen damit zum Ergebnis, dass Karl einen Schadenersatzanspruch gegen Peter hat. Entscheidend ist, dass der Jagdausübungsberechtigte bei einem Fallwild – Kollision gerichtlich die Beweislast hat. Klingt einfach – ist es aber in der Praxis nicht! Das bedeutet, dass Karl (Jagdausübungsberechtige) die nötigen Indizien braucht, damit er vor Gericht beweisen kann, dass der Kollisionslenker Peter beispielsweise zu schnell unterwegs war bzw. andere Umstände nachweisen kann, die für ein Verschulden sprechen. An diesem Punkt werden die Jagdausübungsberechtigten in der Praxis nach am häufigsten scheitern. Denn einerseits ereignen sich viele Wildunfälle erfahrungsgemäß in den Nachtstunden ohne Zeugen und Indizien und andererseits an Stellen, wo sich keine Warnzeichen befinden. Der Gang ans Gericht ist in Österreich ist auch nicht gerade unentgeltlich, was bedeutet, das den Jagdausübungsberechtigten ein Kostenrisiko trifft.
Was ist Fallwild überhaupt wert?
Dafür gibt es bereits sogenannte wildökologische Tabellen: Ein Kitz kostet Euro 281,- eine Geiß Euro 538,- ein sehr guter Bock stolze Euro 2.644,-. Teurer wird´s bei Rothirschen und Steinböcken, die mit bis zu € 13.712,- Euro bewertet werden. Wann hat man vor Gericht gute Chancen einen Schadenersatzanspruch in Folge eines Wildunfalles geltend zu machen? Meines Erachtens hat man auf einer Bundesstraße mit einer Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h schlechte Chance einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen. Hingegen würden sich Streckenabschnitte gut anbieten, wo die Geschwindigkeit reduziert ist, sprich 30-70 km/h und Warnhinweise (Achtung Wildwechsel) angebracht sind. Schlussendlich sind diese Verkehrstafeln nicht grundlos in diesen Streckenabschnitten aufgestellt. Sie sollten einerseits vor möglichem Wildwechsel warnen und andererseits die Verkehrsteilnehmer anregen, an diesen Stellen mit einer angepassten und bremsbereiten Geschwindigkeit unterwegs zu sein. Hat man so einen Streckenabschnitt im Jagdrevier, sollte man sich die Unfälle genauer anschauen (Bremsspur, Kollision etc) und die Erfolgsaussichten anwaltlich abwägen lassen.