Das bis 31.12.2016 gültige Erbrecht stammt zum Großteil noch aus der Urfassung des ABGB aus dem Jahre 1811.
Nicht nur der Inhalt, sondern auch die Sprache dieses Gesetzes war nicht mehr zeitgemäß.
Da nach Meinung des Gesetzgebers die Lebenserwartung deutlich gestiegen und durch das Erbrecht ein Versorgungserfordernis für die Erben nicht mehr in diesem Ausmaß gegeben ist, war Anlass, das gesamte Erbrecht neu zu verfassen. Es wurden daher nicht, wie bei Gesetzesnovellen meist üblich, nur einzelne Bestimmungen des Gesetzes geändert, sondern es wurde ein ganzes Teilstück des ABGBs neu geschrieben.
Diese Neuerungen im österreichischen Erbrecht sind mit 1. Jänner 2017 in Kraft getretenen und gelten für alle Todesfälle, die sich ab diesem Zeitpunkt ereignet haben.
Ausschlaggebend für die Änderungen war unter anderem aber auch, dass seit 17. August 2015 die Europäische Erbrechtsverordnung n allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Großbritannien und Irland anwendbar ist. Sie regelt, welches Erbrecht bei internationalen Erbfällen anzuwenden ist. Seither wird nicht mehr an die Staatsbürgerschaft des Verstorbenen angeknüpft, sondern an seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes.
NEU: Wesentliche Neuerung ist daher der Anknüpfungspunkt des „gewöhnlichen Aufenthalts“: Früher hing das Erbrecht an der Staatsbürgerschaft.
Es kommt nunmehr das nationale Recht zur Anwendung, in dem der Verstorbene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Möchte man das vermeiden, muss man das im Testament verfügen, dass österreichisches Recht zur Anwendung kommt.
Beispiel:
- Wenn eine Person also im Zeitpunkt ihres Ablebens ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hat, bedeutet das nach der EU-Erbrechtsverordnung, dass ein italienisches Gericht für ihr Verlassenschaftsverfahren zuständig ist und dabei, wenn die Person keine Rechtswahl getroffen hat, italienisches Erbrecht anwendet.
- Eine Österreicherin will nach Spanien zu ziehen, sie hat noch ein Haus in Österreich. Welches Erbrecht kommt zur Anwendung? Auch hier gilt: alles neu macht die EU-Erbrechtsverordnung. Bis jetzt waren stets österreichische Gerichte für Immobilien in Österreich zuständig. Seit der Europäischen Erbrechtsverordnung (17. August 2015) ist nicht nur für die Frage des anzuwendenden Rechts, sondern auch für die Frage der Zuständigkeit im Verlassenschaftsverfahren der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes entscheidend.Das Gericht des EU-Mitgliedstaates des (letzten) gewöhnlichen Aufenthalts soll daher für das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen zuständig sein, egal wo sich dieses Vermögen befindet. Dabei soll das Gericht nach Möglichkeit auch sein eigenes Recht anwenden können.
Unterschiede in den einzelnen EU- Staaten gibt es vor allem beim Pflichtteilrecht, Aufteilung, Schenkungsanrechnung.
Durch die Verlegung des Wohnsitzes ins EU-Ausland ist daher eine Rechtswahl möglich um zB für unliebsame Erben ein strenges Pflichtteilrecht zu erlangen.
gesetzliche Erbfolge
Wenn kein Testament vorhanden ist, kommt das gesetzliche Erbrecht zur Anwendung.
NEU: Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, sowie des eingetragenen Partner (eP) wurde gestärkt und ein außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten eingeführt.
Das Liniensystem (Parentelsystem) ist grundsätzlich gleich geblieben, sofern keine gesetzlichen Erben der bisherigen vier Linien vorhanden sind.
Liniensystem (Parentelsystem):
Personen von nachrangigen Linien kommen nur dann zum Zug, wenn keine Person aus der vorrangigen Linie erbt.
Das bedeutet, eine Person der zweiten Linie erbt nur dann, wenn keine Person aus der ersten Linie vorhanden ist, eine Person aus der dritten Linie erbt nur dann, wenn keine Person aus der zweiten Linie vorhanden ist.
- Linie: Kinder, leibliche und Adoptivkinder, danach Enkelkinder, Ehegatte (eP);
- Linie: Eltern bzw. Nachkommen vorverstorbener Elternteile (Geschwister), NEU Geschwister kommen allerdings nur dann zum Zug, wenn kein Ehegatte vorhanden ist;
- Linie: Großeltern bzw. Nachkommen vorverstorbener Großelternteile: diese kommen zum Zug, wenn keine Kinder, keine Eltern, Geschwister, Neffen, Nichten sowie kein Ehegatte vorhanden bzw. erbberechtigt sind;
- Linie: Urgroßeltern: diese kommen zum Zug, wenn keine Personen aus Linie 1 – 3 sowie kein Ehegatte vorhanden bzw. erbberechtigt bzw. erbwillig sind;
- NEU: Lebensgefährte: kommt zum Zug, wenn kein Erbe aus den Linien 1 – 4 vorhanden ist.
Beispiele
- Verstorbener (3 Kinder): jedes Kind 1/3
- Verstorbener: (Ehegatte + 3 Kinder): Ehegatte 1/3, 3 Kinder insgesamt 2/3 (je 2/9)
- NEU: Verstorbener ( Ehegatte + Geschwister): Ehegatte 1/1, Geschwister 0 (früher Ehegatte 2/3, insgesamt Geschwister 1/3
- Verstorbener (Ehegatte+ Elternteile): – Ehegatte 2/3, Vater u Mutter 1/3 – (Vater 1/6 u Mutter 1/6)
NEU: Außerordentliches Erbrecht für Lebensgefährten:
Für Lebensgefährten gibt es jetzt ein „außerordentliches Erbrecht“. Das heißt: Gibt es weder gesetzliche Erben, noch per Testament eingesetzte Erben, erbt automatisch der Lebensgefährte oder die Lebensgefährtin.
Bisher hatten Lebensgefährten keinerlei Erbansprüche, konnten aber in einem Testament bedacht werden.
VORSICHT:
Voraussetzungen:
- 3 Jahre im gemeinsamen Haushalt – es sei denn es gibt gute Gründe für einen getrennten Haushalt
- der Verstorbene darf zum Zeitpunkt des Todes weder verheiratet war, in einer eingetragenen Partnerschaft gelebt haben.
Beispiel: Herr N. (unverheiratet und kinderlos) hat mit seiner Lebensgefährtin vier Jahre lang zusammengewohnt. Da er Einzelkind war und auch seine Eltern bereits verstorben sind (keine gesetzlichen Erben mehr) fällt seiner Lebensgefährtin die Verlassenschaft zur Gänze zu.
Hätte Herr N. nur zwei Jahre mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsamen Haushalt gelebt, wäre die Verlassenschaft an den Staat gefallen („Aneignung durch den Bund“), da keine letztwillige Verfügung zugunsten der Lebensgefährtin errichtet wurde.
Tipp: Wenn Sie Ihre Lebensgefährtin oder Ihren Lebensgefährten als Erbin oder Erben einsetzen wollen, sollten Sie auch künftig besser ein Testament errichten.
gesetzliches Vorausvermächtnis der Lebensgefährten
Neu: das gesetzliche Vorausvermächtnis wurde auf Lebensgefährten erweitert. Diese haben nach dem Tod des Verstorbenen das Recht hat, vorerst in der gemeinsamen
Wohnung weiter zu wohnen.
Achtung: Die Rechte des Lebensgefährten aus dem Vorausvermächtnis sind zeitlich befristet und enden ein Jahr nach dem Tod des Verstorbenen!
Testamente
Neue Formvorschriften
Für letztwillige Verfügungen sind bestimmte Formvorschriften vorgesehen. Werden diese nicht eingehalten, ist die Verfügung (Testament) nicht wirksam.
eigenhändige Testamente
Der gesamte Text muss von dem Testamentsverfasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden, wobei die Unterschrift am Ende des Textes erfolgen muss.
fremdhändige Testamente
Neu:
- Bei Errichtung Ihres Testaments ist die Unterschrift mit einem handschriftlichen Zusatz bekräftigen: zB „Das ist mein letzter Wille.“
- Es müssen 3 Zeugen ununterbrochen und gleichzeitig anwesend sein
- Die Identität der Zeugen muss aus der Urkunde hervorgehen (Vor- und Familienname, Geburtsdatum, Adresse) und die Zeugen müssen mit einem eigenhändig
geschriebenen Zeugenzusatz unterschreiben: z.B. „als Testamentszeuge“
Als Zeugen kommen nicht in Betracht:
- Personen unter 18 Jahren
- Blinde, Taube, Stumme
- Personen, die die Sprache, nicht verstehen und
- „Befangene“ Zeugen:
– Begünstigter (Bedachter)
– Personen, die mit dem Begünstigten verwandt oder verschwägert sind oder
– Beispielsweise Organe einer durch das Testament begünstigten Organisation - NEU: Lebensgefährten des Begünstigten
Vorsorgebevollmächtigte oder Machthaber des Begünstigten
Neu: besachwaltete Menschen, also Menschen mit einem Erwachsenenvertreter können ein Testament machen, wie bisher: mündlich vor Gericht oder Notar – NEU: eine Testamentserrichtung in einem lichten Augenblick ist möglich.
NEU: Automatische Aufhebung von Testamenten durch Scheidung
Seit 1. Jänner 2017 werden Testamente zugunsten des früheren Ehegatten, des eingetragenen Partners oder des Lebensgefährten automatisch aufgehoben, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden bzw. die eingetragene Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft aufgelöst wird. Dies gilt unabhängig vom Verschulden.
Möchte der Verstorbene, dass das Testament auch nach der Scheidung bzw. Auflösung gültig bleibt, so kann er dies bereits im Testament vorsehen.
Nach der alten Rechtslage wurde eine letztwillige Verfügung, z.B. ein Testament, das zugunsten des Ehepartners errichtet wurde, nicht automatisch mit der Scheidung aufgehoben. Es musste widerrufen werden, damit er im Todesfall nicht erbt.
Tipp:
Wollen Sie, dass Ihre letztwillige Verfügung (zB ein Testament) zugunsten des Ehepartners, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten auch nach der Scheidung bzw. Auflösung gültig bleibt, können Sie das bereits im Testament ausdrücklich festhalten.
Beispiel Testament
Ich, Max Mustermann, geboren am 1.1.1927, Beamter, Adresse erkläre meinen letzten Willen, wie folgt:
- Ich bin österreichischer Staatsbürger, verheiratet mit Melanie Mustermann, geboren am 2.2.1927, 2 Kinder Heinz Mustermann, geboren am 3.3.1957 und Udo Mustermann, geboren am 4.4.1959.
- Zur Alleinerbin meines gesamten Vermögens setze ich meine Gattin Melanie Mustermann ein.
- Meinen Porsche vermache ich meinem Geschäftspartner Manfred Mann.
- Ansonsten verweise ich meine Nachkommen auf den gesetzlichen Pflichtteil.
- Durch dieses Testament sind alle meine bisherigen letztwilligen Verfügungen vollinhaltlich aufgehoben.
- Ich bestimme im Sinne des Art. 22 EU-Erbrechtsverordnung, dass unabhängig von meinem gewöhnlichen Aufenthaltsort im Todeszeitpunkt auf meine gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichisches Erbrecht zur Anwendung kommen soll.
Änderungen im Pflichtteilsrecht
Der Pflichtteil ist ein Mindestanteil am Erbe, den bestimmte Personen erhalten müssen, auch wenn sie in einem Testament nicht bedacht wurden.
Früher waren neben dem Ehegatten pflichtteilsberechtigt:
- zunächst die Nachkommen (Kinder, Enkeln)
- falls keine Nachkommen vorhanden: die Eltern,
- sofern diese verstorben waren die Geschwister, falls diese nicht vorhanden oder verstorben sind
- die Großeltern
Höhe des Pflichtteils: unverändert die Hälfte der gesetzlichen Erbteilquote
Beispiel: Eine Witwe hinterlässt zwei Töchter. Mangels weiterer gesetzlicher Erben würden jeder Tochter nach gesetzlichem Erbrecht grundsätzlich 50 % der Verlassenschaft zustehen. Sollte es ein Testament geben und die beiden Töchter nicht bedacht worden sein, beträgt die Pflichtteilsquote pro Tochter daher 25 % und damit ein Viertel der Verlassenschaft in Geld.
NEU: Seit 1. Jänner 2017 sind nur noch die Nachkommen und der Ehegatte oder der eingetragene Partner pflichtteilsberechtigt. Zu den Nachkommen zählen
- die Kinder, wenn diese verstorben sind,
- die Enkel und so weiter.
Eltern und weitere Vorfahren erhalten aufgrund der Erbrechtsreform keinen Pflichtteil mehr!!
Beispiel: Ein Mann hat keine eigenen Kinder und ist mit einer Frau verheiratet, die 3 Kinder in die Ehe mit eingebracht hat, welche aus ihrer ersten Ehe stammen. Der Mann hat ein beträchtliches Vermögen von seinen noch lebenden Eltern geerbt.
Stirbt der Mann, fällt sein gesamtes Vermögen an seine Frau, die es im Todesfalle an ihre Kinder weitervererbt, mit denen der Verstorbene gar nicht verwandt ist. Die noch lebenden Eltern gehen leer aus.
Der Pflichtteil muss grundsätzlich von den Erben in Geld geleistet werden. Künftig kann er erst ein Jahr nach dem Tod des Erblassers eingefordert werden.
Neue Möglichkeit: Pflichtteilsstundung
Früher sah das Erbrecht keine Möglichkeit für die Erben vor, den Pflichtteil, den sie an die Pflichtteilsberechtigten auszahlen mussten, zu stunden (d.h. später zu zahlen).
Seit 1. Jänner 2017 kann auf Anordnung des Verstorbenen (z.B. im Testament) oder – auf Verlangen der Erben – durch das Gericht der Pflichtteil auf höchstens fünf Jahre gestundet werden. In besonderen Fällen kann dieser Zeitraum durch das Gericht auf maximal zehn Jahre verlängert werden.
Vorsicht Zinsfalle
Der Pflichtteil wird auch nach der neuen Rechtslage mit dem Todestag fällig, er kann nur nicht eingefordert werden. Er ist aber ab dem Todestag mit 4% pro Jahr zu verzinsen. Bei der derzeitigen Zinslandschaft also eine teure Angelegenheit!
Beispiel: Berechnung Pflichtteil
Viktor hinterlässt bei seinem Tod die 2 Kinder Anton und Berta. In seinem Testament hat er Anton zum Alleinerben bestimmt und Berta auf den Pflichtteil gesetzt. Da Anton und Berta ohne Vorliegen eines Testaments je zur Hälfte des Nachlasses gesetzliche Erben gewesen wären, beträgt der Pflichtteil von Berta ¼ des reinen Nachlasses (1/2 der gesetzlichen Erbquote).
Die Nachlassaktiva betragen € 100.000,00, Viktor hatte Schulden in der Höhe von € 30.000,00.
Anton bezahlte die Begräbniskosten von € 5.000,00 und die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens von € 2.000,00.
Pflichtteilsanspruch von Berta:
Aktiva € 100.000,00
– Passiva € 30.000,00
– Begräbniskosten € 5.000,00
– Verfahrenskosten € 2.000,00
= reiner Nachlass € 63.000,00
¼ Pflichtteil für Berta € 15.750,00
Erweiterung der Enterbungsgründe
Der Entzug des Pflichtteils wird auch als „Enterbung“ bezeichnet.
Früher war eine „Enterbung“ nur sehr eingeschränkt möglich, z.B. wenn der Pflichtteilsberechtigte den Verstorbenen zu Lebzeiten im Notstand hilflos gelassen hat oder ihm gegenüber vorsätzlich eine gerichtlich strafbare Handlung mit mehr als einjähriger Strafdrohung begangen hat.
Seit 1. Jänner 2017 gelten auch
- Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen, wenn diese nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, sowie
- grobe Verletzungen der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis
als „Enterbungsgründe“.
Entfallen ist hingegen der Enterbungsgrund der „beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart“.
NEU: Pflegevermächtnis
Pflegeleistungen durch nahe Angehörige werden seit 1. Jänner 2017 erstmals im Erbrecht berücksichtigt.
Demnach erhalten pflegende Personen ein gesetzliches Vermächtnis, wenn
- es sich bei ihnen um nahe Angehörige handelt und sie
- die Pflege am Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor seinem Tod mindestens sechs Monate lang
- in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (in der Regel durchschnittlich mehr als 20 Stunden im Monat) und
- unentgeltlich (d.h. ohne Gegenleistung)
erbracht haben.
Ein Pflegevermächtnis muss nicht vom Verstorbenen angeordnet werden, sondern steht – bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen – alleine aufgrund des Gesetzes zu.
Das Vermächtnis gebührt zusätzlich zum Pflichtteil und auch zusätzlich zu anderen Leistungen aus dem Nachlass.
Die Höhe ist im Gesetz nicht geregelt. Bisher hat sich die Judikatur meist an den Kosten einer professionellen Pflegekraft (Bruttolohnkosten) orientiert.
Beispiel: Eine Witwe, 3 Töchter, verstirbt ohne Testament. Die Tochter Aloisia hat sie die letzten zwei Jahre vor dem Tod zu Hause liebevoll gepflegt und zwar rund 15 Stunden pro Woche. Die Witwe hinterlässt eine Villa im Wert von € 900.000,00 und ein Sparbuch mit € 90.000,00, insgesamt € 990.000,00.
Jedem Kind steht grundsätzlich 1/3 des Nachlasses zu. Tochter Aloisia steht überdies das „Pflegevermächtnis“ zu (2 Jahre zu 52 Wochen zu je 15 Stunden zu z.B. € 20,00, das sind € 31.200,00).
Sie erhält € 31.200,00 und zudem 1/3 vom Rest, also €990.000,00 – € 31.200,00 =€ 958.800,00:3= 319.600,00, insgesamt € 350.800,00.
Ihre Schwestern erhalten je €319.600,00. Aloisia muss sich das Pflegevermächtnis nicht auf ihren Erbteil anrechnen lassen.
Neu: Die Anrechnung von Vorempfängen auf den Pflichtteil
In diesem Bereich gibt es grundlegende Änderungen.
- Jede unentgeltliche Leistung (!) die der Verstorbene zu Lebzeiten (gegenüber Pflichtteilsberechtigten oder Dritten) erbracht hat, gilt als anrechenbare Schenkung
- Die unentgeltliche Leistung wird (auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten) rechnerisch dem Nachlass hinzu addiert und davon der (erhöhte) Pflichtteil berechnet. Ist der „Beschenkte“ selbst pflichtteilsberechtigt, dann ist der Wert der Schenkung daran anschließend von seinem Pflichtteil anzuziehen.
- Abfindungen für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht gelten als anzurechnender Vorempfang
- Erhebliche Unterschiede bei der Anrechnung von Schenkungen an pflichtteilsberechtigte und an nicht pflichtteilsberechtigte Personen
- Neuregelung der „anrechnungsfreien Schenkung“
- Neuregelung: Der Erblasser kann die Anrechnung von Vorempfängen testamentarisch erlassen!
- Neuregelung der Bewertung von Vorempfängen (Verbraucherpreisindex!)
- Frist: Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen: 2 Jahre, unbefristete bei Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen
Fazit: Das neue Erbrecht führt oft zu nicht gewünschten Ergebnissen und enthält einige Fallen.
Gerade die Neuregelung der „unbeschränkten Anrechnung von Vorempfängen“ birgt familiäres Streitpotential für die Erben. Mitunter werden alte Testamente nach dem 1.1.2017 nicht mehr (vollständig) den gewünschten Effekt erzielen.
Bei Bedenken sollte die gesamte erbrechtlichen Situation überprüft und testamentarische Anpassungen vorgenommen werden, um nicht ungewollte Ungleichbehandlungen herbeizuführen.
Stand: Jänner 2017