1. Problemstellung
In Österreich sind derzeit rund 6,5 Mio. Kfz zum Verkehr zugelassen.
Pro Jahr kommt es in der Kfz-Haftpflichtversicherung zu zirka 523.000 Schadensfällen, in der Kfz-Kaskoversicherung werden zirka 755.000 Schäden pro Jahr gedeckt (Haftpflicht und Kasko zirka 1,4 Mio.). Insgesamt beträgt das gesamte Leistungsvolumen in der Kfz-Versicherung jährlich rund € 2,2 Mrd. Bei der Regulierung von Schadenersatzansprüchen nach Unfällen spielen Vorschäden eine außerordentlich wichtige Rolle. Aber nicht nur bei der Schadensregulierung muss eine Bewertung des Kfz durchgeführt werden. Auch im KFZ-Handel kommt der richtigen Fahrzeug- und Schadensbewertung eine wichtige Rolle zu. In Österreich wer-den jährlich immerhin zirka 990.000 Gebrauchtfahrzeuge zum Verkehr zugelassen. Meistens werden diese Fahrzeuge vor dem Verkauf einer Bewertung unterzogen, bei der Vorschäden zu berücksichtigen sind.
Vorschäden mindern den Wert des Fahrzeugs bzw. die Schadenshöhe. Diese Wertminderung hat in der Regel durch einen Kfz-Sachverständigen zu erfolgen. Die Problematik für den Sachverständigen besteht darin, dass nicht einfach die Reparaturkosten des Vorschadens abgezogen werden können. Hier gilt es, zahlreiche Konstellationen zu differenzieren.
Bei der Schadensregulierung nach Verkehrsunfällen kommt es häufig zu einer Schadensüberdeckung, die wertmäßig zu beurteilen ist. Es ist zu beurteilen, welcher Wertabzug für den Vorschaden angemessen ist. Dabei ist weiter zu unterscheiden, ob der Vorschaden repariert worden ist oder noch unrepariert ist. Für einen Kfz-Sachverständigen stellt sich nun das Problem, wie diese Vorschäden exakt und nachvollziehbar zu bewerten sind. Es sind zahlreiche Fälle zu beachten und ergeben sich für den Sachverständigen grundsätzlich nachstehende Fragestellungen:
Nach welchen Kriterien hat eine objektive Wertminderung des Fahrzeugs im Verhältnis zu den Reparatur-kosten des Vorschadens zu erfolgen? Nach welchen Kriterien hat ein Wertabzug nicht nur im Verhältnis zu den Reparaturkosten, sondern auch im Verhältnis zum Zeitwert (Wiederbeschaffungswert) zu erfolgen (speziell dann, wenn es zu einer Schadensüberdeckung kommt)?
In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass Sachverständige den Wertabzug aufgrund eines oder mehrerer Vorschäden mehr oder weniger gefühlsmäßig oder ganz pragmatisch ansetzen, wie zB durch eine Halbierung der Reparaturkosten. Für Sachverständige entsteht dadurch ein Erklärungsbedarf, da diese Anpassungen der Wertabzüge nicht erklärt werden können. Liegt ein Totalschaden vor, ist zu ermitteln, ob und in welchem Umfang der Wiederbeschaffungswert, aber auch der Restwert durch den Vorschaden vermindert wird. Liegt kein Totalschaden vor und wird der Schaden repariert, so stellt sich die Frage, wie die Reparaturkosten bzw. im Falle einer Nichtreparatur der objektive Minderwert aufgrund des Vorschadens ermittelt werden soll.
Aber auch bei der Bemessung der merkantilen Wertminderung spielen Vorschäden, egal, ob sie bereits instand gesetzt wurden oder nicht, eine Rolle.
Im Schadensfall hat der in der Regel von der Haftpflichtversicherung beauftragte Sachverständige die Schadens-höhe festzustellen und zu beurteilen, ob am Fahrzeug ein Totalschaden eingetreten ist, wie hoch der objektive Minderwert ist und ob eine merkantile Wertminderung vorliegt. Es sollen nunmehr nachvollziehbare Kriterien herausgearbeitet werden, wie Vorschäden zu quantifizieren, aber auch zu dokumentieren sind.
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