Der Ausgangsfall
Unser Mandant ist Besitzer eines kleinen Mischlingswelpen in Wien. An einem bestimmten Tag ging er mit seinem Hund spazieren und ließ ihn anschließend angeleint vor einem Supermarkt zurück, während er einkaufte.
Während dieser Zeit näherte sich eine unbekannte Person dem Hund und versuchte, ihn zu streicheln. Der Hund erschrak und biss zu, wodurch die Person eine leichte Verletzung erlitt. Die verletzte Person verständigte daraufhin die Polizei, die den Vorfall aufnahm und weitere Ermittlungen einleitete.
- Strafrechtliche KonsequenzenDa eine Person durch den Hund unseres Mandanten verletzt wurde, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 StGB eingeleitet.
Warum fahrlässige Körperverletzung?
In solchen Fällen wird in der Regel davon ausgegangen, dass der Hundebesitzer seine Sorgfaltspflichten verletzt hat und deshalb der Hund die fremde Person beißen konnte. Gemäß § 88 StGB liegt eine fahrlässige Körperverletzung vor, wenn jemand durch die Sorgfaltspflichtverletzung eines anderen verletzt wird.Die zentrale Frage lautet daher: Hat der Hundebesitzer seine Aufsichtspflicht ausreichend wahrgenommen? Falls nicht, könnte eine strafrechtliche Verantwortung bestehen. Es ist in solchen Situationen ratsam, sich sofort rechtliche Unterstützung zu holen, da die verletzte Person häufig im Strafverfahren als Privatbeteiligte auftritt und Schadenersatz fordert.Ein fahrlässiges Verhalten liegt grundsätzlich nur vor, wenn der Hund nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt wurde. Ein typisches Beispiel wäre ein Hund, der ohne Leine läuft und jemanden beißt. Allerdings gibt es nach § 88 Abs. 2 StGB auch Gründe, die eine Strafverfolgung verhindern können – etwa wenn die Verletzung nicht länger als 14 Tage dauert.Um sich bestmöglich zu verteidigen, empfiehlt es sich, ein schriftliches Gedächtnisprotokoll über den Vorfall anzufertigen. Dadurch kann bei der Beschuldigteneinvernahme ein einheitlicher Sachverhalt dargelegt werden, ohne wichtige Details zu vergessen.Ergebnis: Wir konnten nachweisen, dass unser Mandant nicht fahrlässig gehandelt hat und die Verletzung keine 14 Tage überstieg. Das Ermittlungsverfahren wurde daraufhin eingestellt. - Zivilrechtliche Konsequenzen
Nachdem das Strafverfahren eingestellt wurde, erhielt unser Mandant ein anwaltliches Aufforderungsschreiben von der verletzten Person. Darin wurde Schmerzengeld gefordert. Zusätzlich wurde argumentiert, dass die betroffene Person nun Angst vor Hunden habe und auch dafür eine finanzielle Entschädigung wolle.
Vorgehen:
1. Meldung an die Haftpflichtversicherung: Wir informierten sicherheitshalber die Versicherung unseres Mandanten
2. Bestreiten der Forderung: Die Höhe des geforderten Schmerzengeldes (EUR 5.000) wurde bestritten.
3. Gerichtliches Verfahren: Die verletzte Person brachte ihre Forderung vor Gericht. Der zuständige Richter bestätigte unsere rechtliche Auffassung, dass sie sich bewusst in die riskante Situation begeben hatte. Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, die vorschreibt, dass ein Hund vor einem Supermarkt nur mit Maulkorb angeleint werden darf; sofern es sich um keinen Listenhund handelt. Zudem befand sich der Anleinbereich an einem wenig frequentierten Ort, sodass die Person diesen gezielt aufsuchen musste. Darüber hinaus handelte es sich um eine volljährige Person, der bewusst sein sollte, dass man fremde Hunde nicht ohne Erlaubnis streichelt. Die Klage wurde daher abgewiesen. - a Verwaltungsrechtliche Konsequenzen – Einstufung als „bissiger Hund“
Nach Abschluss des zivilrechtlichen Verfahrens meldete sich die Hundebehörde (LPD Wien). Sie beabsichtigte, den Hund als „bissigen Hund“ einzustufen. Dies hätte schwerwiegende Folgen gehabt:
Definition eines „bissigen Hundes“ (§ 2 Abs. 3 Wiener Tierhaltegesetz)- Ein Hund gilt als „bissig“, wenn er einmal einen Menschen oder einen anderen Hund gebissen hat.
- Dabei spielt es keine Rolle, ob der Biss stark oder schwach war – es zählt allein die Tatsache, dass ein Biss stattgefunden hat.
- Ob der Hund aggressiv war oder nur sein Territorium verteidigt hat, ist unerheblich.
Folgen der Einstufung als „bissiger Hund“
Wenn dein Hund als bissig eingestuft wird, ergeben sich folgende Pflichten:- Hundeführschein: Du musst verpflichtend einen Hundeführschein absolvieren (§ 8 Abs. 5 Wiener Tierhaltegesetz).
- Maulkorbpflicht: Dein Hund muss an öffentlichen Orten immer einen Maulkorb tragen (§ 5 Abs. 3 Wiener Tierhaltegesetz).
- Eigentümerwechsel: Falls du den Hund weitergibst, übernimmt der neue Halter diese Pflichten (§ 8 Abs. 9 Wiener Tierhaltegesetz).
Auch wenn dein Hund „nur“ aus einer natürlichen Reaktion heraus gebissen hat, wird er dennoch als bissig eingestuft.
Wir konnten im gegenständlichen Fall allerdings erfolgreich darlegen, dass keine objektivierbaren Verletzungsfolgen festgestellt wurden. Daher lag auch kein „relevanter“ Biss im Sinne des Gesetzes vor. Die Behörde verzichtete daraufhin darauf, den Hund als „bissig“ einzustufen.
- b Verwaltungsrechtliche Konsequenz – § 3 Z 1 Wiener Tierhaltegesetz
Hundebehörde (MA 58) warf unserem Mandanten – wie bereits oben dargestellt – zudem vor, seinen Hund nicht ordnungsgemäß verwahrt zu haben, sodass eine Gefährdung für Menschen bestand, da der Hund nach einer Person geschnappt haben soll. In diesem Verfahren legten wir ebenfalls eine Rechtfertigung vor, in der wir ähnliche Argumente wie zuvor anführten. Die MA 58 folgte unserer Argumentation und stellte das Verfahren nach einer ergänzenden Prüfung ein.Fazit:
Ein Hundebiss kann verschiedene rechtliche Konsequenzen haben – strafrechtliche, zivilrechtliche und verwaltungsrechtliche. In unserem Fall konnte unser Mandant erfolgreich verteidigt werden, sodass weder eine strafrechtliche Verurteilung noch eine hohe Schadenersatzzahlung oder eine Einstufung als „bissiger Hund“ erfolgte.Unser Tipp: Wer mit einer solchen Situation konfrontiert ist, sollte sich frühzeitig anwaltlichen Rat holen, um mögliche rechtliche Nachteile zu vermeiden.Rechtschutzversicherung: Solche Verfahren werden in der Regel von Ihrer Rechtsschutzversicherung übernommen. Falls Sie ein ähnliches Problem haben, können Sie uns jederzeit gerne kontaktieren. Wir unterstützen Sie umfassend, übernehmen die Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung und kümmern uns um alle weiteren Schritte.