Wann greift das Strafgericht bei Beleidigungen ein?
Im Strafgesetzbuch gibt es eine Vielzahl von Delikten, die den Schutz der persönlichen Ehre zum Ziel haben.
§ 115 StGB regelt die Beleidigung, wobei sich der Straftatbestand auf verschiedene ehrverletzende Handlungen wie Beschimpfen, Verspotten, körperliche Misshandlung oder die Drohung damit bezieht.
Bei Delikten gegen die Ehre gibt es jedoch unterschiedliche Verfahren, je nachdem, ob es sich um ein Privatanklagedelikt oder ein Ermächtigungsdelikt handelt.
In diesem Blog erklären wir den Unterschied zwischen diesen beiden Konzepten anhand von Beispielen und einem Fokus auf § 115 StGB.
Beleidigung § 115 StGB – Privatanklagedelikt: Was bedeutet das?
Ein Privatanklagedelikt ist ein strafbares Verhalten, bei dem nicht die Staatsanwaltschaft von sich aus die Strafverfolgung einleitet, sondern das Opfer selbst.
Dies ist in der Regel bei Delikten der Fall, die eher persönliche, private Interessen betreffen und weniger das allgemeine Interesse der Gesellschaft. Beleidigungsdelikte gemäß § 115 StGB gehören in vielen Fällen zu den Privatanklagedelikten.
Praxisbeispiel: Beschimpfung in der Öffentlichkeit
Person A beleidigt Person B vor einer Gruppe von fünf Menschen. A nennt B wiederholt „Idiot“ und zeigt dabei den Mittelfinger. Da diese Beschimpfung öffentlich (vor mindestens drei anderen Personen) erfolgt ist, erfüllt sie den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 115 StGB.
In einem solchen Fall könnte Person B selbst aktiv werden und eine Privatanklage gegen A einbringen. Die Staatsanwaltschaft übernimmt hierbei nicht automatisch die Verfolgung, sondern es liegt in der Verantwortung von B, den strafrechtlichen Weg einzuschlagen und die Anklage vorzubringen.
Dies bedeutet auch, dass B das finanzielle Risiko trägt, sollten die Anklage oder die Beweislage nicht ausreichen.
Beleidigung – Ermächtigungsdelikt: Wann greift der Staat ein?
Bei einem Ermächtigungsdelikt bleibt die Strafverfolgung zwar grundsätzlich in den Händen des Opfers, aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Die Staatsanwaltschaft darf nur dann tätig werden, wenn das Opfer ausdrücklich eine Ermächtigung erteilt. § 117 Abs 3 StGB enthält eine solche Regelung für Beleidigungen, die auf die Zugehörigkeit zu bestimmten, durch das Verhetzungsdelikt geschützten Gruppen abzielen. Das betrifft insbesondere Personen, die aufgrund ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft oder sexuellen Orientierung beleidigt werden.
Praxisbeispiel: Rassistische Beleidigung im Internet
Ein typisches Beispiel für ein Ermächtigungsdelikt wäre eine rassistische Beleidigung in einem sozialen Netzwerk. Angenommen, Person A postet öffentlich in einer Facebook-Gruppe, dass Person B aufgrund ihrer ethnischen Herkunft „kein Recht hat, hier zu sein“ und sie als „Abschaum“ bezeichnet. Hier greift § 117 Abs 3 StGB, weil die Beleidigung aufgrund der Gruppenzugehörigkeit von B erfolgt und geeignet ist, diese in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.
In diesem Fall kann Person B die Staatsanwaltschaft ermächtigen, Anklage gegen A zu erheben. Dies dient auch dazu, Opfer solcher diskriminierenden Angriffe von den finanziellen Risiken einer Privatklage zu entlasten.
Wenn die Staatsanwaltschaft die Ermächtigung erhält, übernimmt sie die Strafverfolgung und führt das Verfahren.
Die Unterschiede im Überblick
- Beleidigung im digitalen Zeitalter
Mit dem Aufkommen von sozialen Netzwerken und digitalen Plattformen haben sich die Rahmenbedingungen für Beleidigungsdelikte erheblich verändert.
Was früher nur in kleinen Gruppen oder öffentlichen Räumen stattfand, wird heute weltweit in Sekundenschnelle verbreitet. Ein Kommentar oder ein Bild, das eine Person beleidigt oder verspottet, kann von einer Vielzahl von Menschen gesehen und geteilt werden.
Vor allem bei Hasspostings kommt es häufig zu einer Vermischung der Tatbestände von Beleidigung iSd § 115 StGB, Übler Nachrede iSd § 111 StGB und Verhetzung iSd § 283 StGB.
Während die Beleidigung rein subjektive Werturteile betrifft, die keinen Wahrheitsbeweis zulassen, stellt die Üble Nachrede den Vorwurf von ehrverletzenden Tatsachen in den Raum, die zumindest theoretisch überprüfbar wären.
Privatanklagedelikt | Ermächtigungsdelikt |
Das Opfer muss selbst aktiv eine Anklage einbringen. | Die Staatsanwaltschaft darf nur mit Ermächtigung des Opfers tätig werden. |
Das Kostenrisiko liegt beim Opfer. | Das Kostenrisiko wird durch die Staatsanwaltschaft übernommen. |
Häufig bei „einfachen“ Beleidigungen (§ 115 StGB). | Gilt bei Beleidigungen mit rassistischem, diskriminierendem Hintergrund (§ 117 Abs 3 StGB). |
Bsp.: Beleidigung in der Öffentlichkeit vor mehreren Personen. | Bsp.: Rassistische oder diskriminierende Äußerungen in sozialen Netzwerken. |
Schlussfolgerung:
Der Unterschied zwischen einem Privatanklagedelikt und einem Ermächtigungsdelikt liegt primär darin, wer die Initiative zur Strafverfolgung ergreift und wer die Kosten trägt.
Während bei Privatanklagedelikten das Opfer selbst aktiv werden muss, kann es bei Ermächtigungsdelikten die Staatsanwaltschaft mit der Verfolgung beauftragen. In der Praxis ist dies vor allem bei Delikten mit diskriminierendem Hintergrund, wie rassistischen Beleidigungen, von Bedeutung.
Im digitalen Zeitalter sind Beleidigungen, die über soziale Netzwerke verbreitet werden, keine Seltenheit mehr. Für die Opfer solcher Angriffe bietet das Ermächtigungsdelikt eine wichtige Unterstützung, da es ihnen ermöglicht, gegen die Täter ohne großes finanzielles Risiko vorzugehen.
Dennoch bleibt es auch in diesen Fällen eine Herausforderung, die entsprechenden Verfahren erfolgreich durchzuführen, insbesondere wenn die Täter anonym agieren.
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